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4.5 Kippmomente



1) Grundidee – warum kippt ein Fahrzeug?

  • Kippmoment: Alles, was dich zur Seite oder nach vorne/hinten „um die Räderkante“ drücken will (z. B. schnell gefahrene Kurve, Seitenhang, Schwall im Tank, Bordsteinkante).
  • Stabilisierung: Breite Spur, niedriger Schwerpunkt, gleichmäßige Lastverteilung und ruhige Fahrmanöver halten dich aufrecht.
  • Traktor-Spezialfall: Die Vorderachse kann pendeln. Auf schrägem Untergrund trägt die Hinterachse entscheidend zur Stabilität bei – eine breite Hinterspur bringt viel.

2) Typische Kipp-Situationen mit Traktor

  • Kurve zu schnell (besonders mit hoch geführtem Frontlader oder hoch gestapelten Ballen) → Drang nach außen, Innenräder werden leicht, Kippgefahr.
  • Seitenhang / Quergefälle → Fahrzeug neigt sich talwärts, eine Bodenwelle oder Loch reicht zum Umkippen.
  • Weiches Bankett, Graben, Kante → Ein Rad sackt ab, Schwerpunkt wandert schlagartig nach außen.
  • Schwall in Teilfüllungen (Güllefass, Spritze) → Flüssigkeit schlägt in die Kurvenaußenseite, Kippmoment steigt sprunghaft.
  • Ungünstige Stützlast am Anhänger → Zu wenig vorn: Lenkung leicht, Gespann pendelt. Zu viel vorn: Vorderachse „taucht“ beim Bremsen, instabil in der Kurve.
  • Frontladerarbeit am Hang → Last weit vorne/hoch, kleine Lenkkorrektur oder Bodenstufe genügt.
  • Seitenwindböen bei hoher, kantiger Ladung → zusätzliche seitliche Kraft auf Aufbau/Plane.

3) Was begünstigt Kippen – was hilft dagegen?

Begünstigend

  • Hoher Schwerpunkt (hoch gestapelte Ballen, Frontlader oben, Aufbaugeräte).
  • Schmale Spur (insbesondere hinten), falscher Reifendruck, weicher Untergrund.
  • Hektische Manöver: scharfes Einlenken, starkes Bremsen in der Kurve, ruckartige Lastwechsel.
  • Teilgefüllte Tanks ohne Schwallwände, schlechte Lastverteilung, falsche Stützlast.

Schützend

  • Spur verbreitern (Spurverbreiterung, Zwillingsräder), Ballast tief (Rad-/Front-/Heckgewichte), Last nah am Fahrzeug führen.
  • Reifendruck nach Hersteller, für Straße und Last passend.
  • Ruhige Fahrweise: vor der Kurve bremsen, weiter Bogen, in der Kurve nur halten, danach sanft beschleunigen.
  • Tanks ganz voll oder sehr leer fahren (wo praktikabel) – weniger Schwall.
  • Stützlast im zulässigen Bereich einstellen; funktionsfähige Anhängerbremse.
  • ROPS (Überrollschutz) + Gurt immer nutzen; keine Mitfahrer auf Trittbrettern/Anbauten.

4) Fahrstrategie – so vermeidest du Kippmomente

  • Tempo: Mit hoher/oberer Ladung deutlich unter 60 km/h bleiben; auf Landstraße oft 10–30 km/h langsamer als leer, vor allem vor Kurven und bei Wind.
  • Kurven: Vor der Kurve abbremsen und niedrigen Gang wählen; in der Kurve nicht stark nachbremsen. Zug/Anhänger vor der Kurve geradeziehen.
  • Frontlader: Last tief und nah am Fahrzeug, Schaufel leicht nach hinten gekippt; am Hang nur mit viel Reserve manövrieren.
  • Hangfahrten: Quergefälle meiden; wenn es sein muss, sehr langsam, gleichmäßig, ohne Ruck. Besser längs (bergauf/bergab) fahren.
  • Kanten/Bankette: Wenn möglich im rechten Winkel und langsam überfahren; seitlichem Abrutschen vorbeugen, Abstand halten.
  • Sperren/Allrad: Nur dort nutzen, wo nötig; vor Kurven auf fester Straße lösen, um Verspannungen und Schieben nach außen zu vermeiden.

5) Notfall: drohendes Kippen – was jetzt?

  • Ruhe bewahren, Blick in Fluchtrichtung. Keine hektischen Gegenlenk-Rucke.
  • Gas weg, sanft bremsen. In der Kurve die Linie öffnen (weniger stark lenken), wenn Platz ist.
  • Front-/Heckgerät sofort absenken, um den Schwerpunkt zu senken und das Fahrzeug zu stabilisieren.
  • Am Hang, wenn möglich, talwärts ausrichten und anhalten.
  • Gurt anlegen – im Fahrzeug bleiben, wenn es trotz allem kippt (nur sicher mit Überrollschutz). Nach Stillstand: Motor aus, Umfeld sichern, Hilfe holen.

6) Mini‑Beispiele aus der Praxis

  • Ballen hoch gestapelt, 60 km/h, weite Landstraßenkurve: 15–25 km/h langsamer anfahren als leer, Frontlader unten, Blick weit, vor der Kurve fertig bremsen.
  • Teilgefülltes Güllefass, Feldzufahrt mit Kante: Schrittgeschwindigkeit, möglichst im 90°‑Winkel, gerade Räder; danach langsam beschleunigen, Schwall abklingen lassen.
  • Seitenhang mit Frontladerarbeit: Last dicht und tief, ggf. Heckballast montieren, nur minimal lenken; wenn unsicher: Hang verlassen und Stelle neu anfahren.
  • Seitenwind mit Planen‑/Kistenaufbau: 10–20 km/h runter, beide Hände ans Lenkrad, Abstand erhöhen; ruckfreie Lenkkorrekturen.

Prüfungskern (Merksatz)

„Kippmomente entstehen durch Tempo, Höhe und Schräglage. Daher: Last tief und nah, Spur breit, vor der Kurve bremsen, in der Kurve ruhig. Mit hoher Ladung lieber deutlich unter 60 km/h.“


Praxis‑Drills (2–4 Minuten)

  1. Kurve leer vs. beladen: Gleiche Kurve erst leer, dann mit hoch gestapelten Ballen (sicher geladen). Mit Ladung 15–25 km/h langsamer fahren und Unterschiede besprechen.
  2. Kanten‑Training: Bordsteinkante/Grasnarbe im rechten Winkel und sehr langsam überfahren – spüren, wie das Fahrzeug kurz anhebt/absenkt.
  3. Hang‑Routine: Leichter Seitenhang: Gerade bergauf anfahren, wenden am flachen Punkt, langsam bergab – Fokus auf ruhige Lenk- und Pedalarbeit.

Kleine Übungsfragen

  1. Nenne drei Situationen, in denen das Kippmoment am Traktor besonders groß wird.
  2. Welche zwei Maßnahmen senken das Kipp­risiko beim Arbeiten mit dem Frontlader sofort?
  3. Warum sind Teilfüllungen in Tanks problematisch in Kurven?
  4. Wie wirkt sich zu geringe Stützlast auf das Fahrverhalten in der Kurve aus?
  5. Was tust du, wenn du in einer Kurve merkst, dass das Fahrzeug zum Kippen neigt?

Erstellt für den Unterricht von Joachim Eling – Fahrschule Eling.