4.1 Kraftschluss, Reibung, Rollwiderstand
1) Wichtige Begriffe – kurz & klar
- Kraftschluss: Übertragung von Kräften zwischen Reifen und Untergrund durch Haftreibung (ohne Schlupf). Maximal nutzbarer Kraftschluss ∝ Reibbeiwert μ und Normalkraft (Radlast).
- Haft‑ vs. Gleitreibung: Haftreibung (Grip) ist höher als Gleitreibung (Rutschen). ABS/ASR halten Schlupf im günstigen Bereich, damit du lenkfähig bleibst.
- Reibbeiwert μ (typisch):
- Trockener Asphalt: ca. 0,8–0,9
- Nasser Asphalt: ca. 0,4–0,6
- Schnee/Matsch: ca. 0,2–0,3
- Eis/Schneeglätte: ca. 0,1 (oder weniger)
- Feldboden (fest → weich): stark schwankend; Traktion entsteht zusätzlich über Bodenschub (Stollen greift ein).
- Rollwiderstand (crr): Energieverlust durch Reifenverformung/Untergrund.
- Straße (Traktor‑Transportreifen): 0,015–0,03
- Feld/Wegeboden: 0,05–0,12 (+)
- Grip‑Kuchen (Kraftschluss‑Ellipse): Bremsen, Beschleunigen und Lenken „teilen“ sich den gleichen Grip. Viel bremsen = weniger Lenkreserve – und umgekehrt.
2) Was beeinflusst deinen Grip?
- Untergrund & Sauberkeit: Nässe, Schlamm, Laub, Splitt senken μ drastisch. Schmutz vom Hof/aus dem Feld abkehren (§ 32 StVO) – das schützt dich und andere.
- Radlast/Stützlast: Mehr Normalkraft auf der Achse = mehr möglicher Kraftschluss. Zu leichte Vorderachse → Lenkprobleme.
- Reifen & Luftdruck:
- Straße: eher höherer Druck = ruhiger Lauf, weniger crr, aber Komfort/Grip auf Nässe beachten.
- Feld: reduzierter Druck (nach Hersteller!) = größere Aufstandsfläche, weniger Bodendruck, bessere Traktion.
- Tempo & Fahrstil: Sanfte Pedale, saubere Lenkung. Harte Eingriffe „verbrauchen“ den Grip‑Kuchen.
- Fahrzeugtechnik: 4WD/Diff‑Sperren nur situativ (Anfahren/loser Boden). Auf griffigem Asphalt sonst Verspannungen/Untersteuern.
3) Rechnen, aber praxisnah
- Max. Beschleunigung/Bremsen: \( a_{\max} = \mu \, g \).
- Theoretische Bremsstrecke (ohne Reaktion): \( s_B = \frac{v^2}{2\,\mu\,g} \)
Beispiel 50 km/h (≈ 13,9 m/s, Reaktion 1 s ≈ 14 m):
- Trocken (μ = 0,8): 12 m Bremsweg → ≈ 26 m inkl. Reaktion.
- Nass (μ = 0,4): 25 m Bremsweg → ≈ 39 m inkl. Reaktion.
- Eis (μ = 0,1): 98 m Bremsweg → ≈ 112 m inkl. Reaktion.
Rollwiderstandskraft: \( F_{rr} = c_{rr}\, m\, g \). Beispiel 12 t: Straße (0,02) ≈ 2,4 kN; Feld (0,08) ≈ 9,4 kN → deutlich mehr Zugkraft/Verbrauch nötig.
4) Schritt‑für‑Schritt: So holst du sicheren Grip heraus
- Vor Fahrtbeginn: Reifen auf Schäden/Profil prüfen, Luftdruck nach Einsatz (Straße/Feld) einstellen; Ladung/Stützlast korrekt verteilen.
- Anfahren/Traktion: Sanft einkuppeln, ggf. 4WD/Quersperre kurz zuschalten. Auf Asphalt ohne Sperre fahren.
- Bremsen: Geradeaus stark = ok; in Kurven vorher Tempo rausnehmen, dann lenken. ABS hält Lenkbarkeit – trotzdem Pedal stetig drücken (nicht pumpen).
- Lenken: Weiche, frühe Lenkimpulse. Wenn es rutscht: Fuß vom Gas/Bremse lösen und Fahrzeug stabilisieren.
- Saubere Fahrbahn: Erd-/Silagereste sofort sichern/beseitigen (Eigenverantwortung, Betriebspflicht).
5) Häufige Fehler – und die bessere Lösung
- Vollbremsung in der Kurve → Untersteuern/Anhänger schiebt. Besser: Vor der Kurve bremsen, in der Kurve nur sanft dosieren.
- Zu wenig Vorderachslast → Traktor lenkt schwammig. Besser: Stützlast/Frontgewicht anpassen, Ladung umverteilen.
- Dauerhaft niedriger Reifendruck auf Straße → Hitze, Verschleiß, hoher crr. Besser: Transportdruck nutzen oder CTIS (Reifendruckregelanlage).
- Schlamm auf Straße → μ fällt stark. Besser: Abstreifen/Reinigen, Warnen/Sichern, sofort beseitigen.
Prüfungskern (Merksatz)
„Grip ist begrenzt. Ich teile ihn klug: erst bremsen, dann lenken, sanft fahren. Reifen/Luftdruck und saubere Fahrbahn bringen Sicherheit – Tempo passe ich dem μ an.“
Praxis‑Drill „Nassbremsung & Ausweichen“ (3–4 Min.)
- Auf nasser Strecke 40 km/h → früh vom Gas, gerade kräftig bremsen.
- Lenkhaken setzen (Ausweichen) mit halbem Bremsdruck → Grip‑Kuchen spürbar machen.
- Nach Stabilisierung wieder sanft beschleunigen; Spiegel/Ladung prüfen.
Sinnvolle Medien zum Einbau
- Poster/Chart: „Grip‑Kuchen“ (Kraftschluss‑Ellipse) mit Beispielen Bremsen/Lenken.
- Kurzvideo: Einfluss von Reifendruck (Straße vs. Feld) auf Traktion und Bremsweg.
- Demo auf dem Hof: Nass‑Platte mit/ohne Schlamm → Unterschied in μ erfahrbar machen.
Kleine Übungsfragen
- Warum kannst du beim gleichzeitigen starken Bremsen nur noch wenig lenken?
- Wie verändert nasser Asphalt deinen Bremsweg bei 50 km/h – grob in Metern?
- Welche Vor‑/Nachteile hat niedriger Reifendruck auf Feld und Straße?
- Welche Maßnahmen triffst du, wenn du Schlamm auf die Fahrbahn getragen hast?
- Wann schaltest du 4WD/Sperren sinnvoll, und wann wieder aus?