3.3 Besonderheiten bei der Zusammenstellung von Zügen; Fahren mit Allradantrieb
1) Wichtige Bauteile & Begriffe
- Allradantrieb (4WD): Zuschaltbarer Vorderachsantrieb, oft ohne Mittendifferenzial → auf griffigem Asphalt droht Verspannung (Reifenrubbeln, Lenkhüpfen).
- Differenzial‑Sperren: Längssperre (zwischen Vorder-/Hinterachse) und Quersperre (in der Achse). Nur langsam und meist geradeaus nutzen.
- Bremsanlagen Anhänger: Auflauf-, hydraulische oder druckluftgebremste Systeme; ggf. ABS/EBS (ISO‑Steckdose nötig).
- ALB/LAST‑Ventil: Automatische Bremskraftanpassung am Anhänger je Beladung (Lastabhängige Bremse).
- D/Dc‑Wert & Stützlast (S): Belastbarkeit der Kupplung/Öse und nötige Stützlast für Spurstabilität.
- Reifenpaarung/Rollradius: Passende Dimensionen/Drücke vorn–hinten; falsche Radumfänge verstärken 4WD‑Verspannung.
2) Zug richtig zusammenstellen – mit Blick auf 4WD
- Papiere checken: zGM, Anhängelast, Stützlast, bbH, Bremsart (hydraulisch/Druckluft), D/Dc‑Wert. Langsamste Komponente bestimmt Tempo.
- Kupplung & Öse passend: K50/K80 etc., Verschleißmaß i. O., Bolzen gesichert; Leitungen (Brake/E‑Stecker) spannungsfrei verlegt.
- Vorderachslast sicherstellen: Mit Anhänger/Frontlader so beladen, dass die Lenkachse spürbar Druck hat (Faustwert: mind. ca. 20 % des Traktorleergewichts auf der Vorderachse). Bei leichtem Lenkradgefühl: Stützlast erhöhen oder anders beladen.
- Bremskompatibilität: ABS/EBS nur mit korrektem Stromanschluss aktiv; ALB‑Gestänge frei beweglich. Mischzüge (z. B. 1× hydraulisch, 1× Auflauf) nur, wenn zulässig und fahrdynamisch unkritisch.
- Reifen & Druck: Achsweise gleiche Dimension/Profil, Straßendruck einstellen; ungleiche Radumfänge → 4WD‑Stress, unruhiges Lenkverhalten.
- Brems-/Lenkprobe: Standprobe + Rollprobe (10–15 km/h). Bei 4WD‑Einsatz prüfen: kein Hüpfen/Schieben in engen Kurven auf Asphalt.
3) Allrad richtig einsetzen – wann EIN, wann AUS?
- 4WD EIN (sinnvoll):
- Anfahren mit schwerem Anhänger, Rampe/Hang, Wiese/Schotter/Schnee, nasse Feldzufahrt.
- Bergab zur Motorbremsunterstützung beider Achsen (stabiler Geradeauslauf).
- Bei Bremsen (falls Automatik „4WD‑bei‑Bremsen“ vorhanden) für kürzere Reaktionszeit der Vorderachse.
- 4WD AUS (meist besser):
- Auf trockener, griffiger Straße bei Tempo und in Kurven → sonst Verspannung, Untersteuern, Reifenverschleiß.
- Rangieren auf Asphalt (enger Lenkeinschlag) → kleinerer Wendekreis ohne 4WD.
- Diff‑Sperren: Nur bei Schlupf, geradeaus, langsames Tempo; vor der Kurve/Straßenfahrt wieder lösen.
- Timing: 4WD vor der kritischen Stelle einschalten, nicht erst im Spinnen der Räder (Stoßbelastung vermeiden).
4) Fahrdynamik mit Zug (mit/ohne 4WD)
- Anfahren: Hoher Gang vermeiden; mit 4WD ruhiger, ohne Schlupf anfahren. Ggf. kurz 4WD nutzen, dann auf Straße wieder aus.
- Kurven: Mit Last langsamer, gleichmäßig lenken. 4WD in engen Asphaltkurven meiden → Untersteuern/Lenkhoppeln möglich.
- Bremsen: Vorausschauend, Motorbremse vor der Gefällestrecke wählen. 4WD unterstützt Stabilität, ersetzt aber nie funktionierende Anhängerbremsen.
- Schlepp-/Schwenkverhalten: Zweiter Anhänger schneidet stärker; ausreichend ausholen, Spiegelarbeit. 4WD ändert das nicht, aber gibt mehr Reserve beim Herausbeschleunigen.
5) Rangieren & Praxis
- Rückwärts: 4WD meist AUS (besserer Lenkeinschlag). Bei losem Untergrund kurz EIN möglich.
- Kuppelplatz: Gerade anfahren, Stützrad ganz hoch, Abreißsicherung getrennt vom Bolzen einhängen.
- Kontrollblick: Leitungen frei, keine Zurrgurte in der Nähe der Reifen/Kardanwelle.
6) Checkliste „Zug & 4WD startklar“
- [ ] Papiere/Typenschilder: Anhängelast, S‑Last, D/Dc‑Wert, Bremsart, bbH gecheckt.
- [ ] Vorderachse trägt sicher (Lenkgefühl satt); ggf. Stützlast/Frontgewicht anpassen.
- [ ] Brems-/Lichtprobe ok; ABS/EBS‑Strom verbunden (falls vorhanden).
- [ ] Reifenprofil/Druck passend; Radumfänge vorn–hinten stimmig.
- [ ] 4WD/Diff‑Sperren testweise schalten; Funktionskontrollleuchte i. O.
- [ ] Route: Engstellen, Gefälle, Feldzufahrten und Wendemöglichkeiten bekannt.
7) Häufige Fehler – und wie du sie vermeidest
- 4WD dauerhaft auf Asphalt → Verspannung, Reifenverschleiß, Untersteuern. Lösung: Auf fester Straße i. d. R. AUS, nur situativ EIN.
- Zu leichte Vorderachse (schwammige Lenkung) → Gefahr bei Brems-/Ausweichmanövern. Lösung: S‑Last/Frontgewicht anpassen, beladen umverteilen.
- Diff‑Sperre in der Kurve → Geradeausschieben. Lösung: Vor Kurven lösen.
- ABS/EBS unversorgt → Anhänger blockiert schneller. Lösung: ISO‑Strom verbinden, Funktionskontrolle.
- Falscher Reifendruck → schlechter Grip, Walkarbeit. Lösung: Straßendruck/Lastdruck einstellen.
Prüfungskern (Merksatz)
„Ich stelle den Zug passend zusammen, sorge für tragfähige Vorderachse und funktionierende Bremsen. 4WD nutze ich situativ: EIN für Traktion/Sicherheit, AUS auf griffigem Asphalt und in engen Kurven.“
Praxis‑Drill „Gefällestrecke mit Anhänger“ (3–4 Min.)
- Vor dem Gefälle: Gang wählen, 4WD EIN, Diff‑Sperren AUS, Tempo auf 25–30 km/h.
- Im Gefälle: Motorbremse wirken lassen, nur dosiert bremsen, Spur mittig halten, Spiegel checken.
- Nach dem Gefälle: Auf Gerade 4WD AUS, normal beschleunigen, Funktionskontrollleuchten prüfen.
Kleine Übungsfragen
- Warum führt 4WD auf trockener Straße in engen Kurven oft zu „Hoppeln“/Untersteuern?
- Welche Signale zeigen dir, dass die Vorderachse zu leicht ist – was änderst du am Zug?
- Wann hilft 4WD bergab mit Anhänger – und was ersetzt er nicht?
- Welche Rolle spielt der ISO‑Stromanschluss für ABS/EBS‑Anhänger?
- Nenne drei Punkte, die du vor dem Einsatz der Diff‑Sperren beachtest.