4.2 Auswirkungen unterschiedlicher Ladungen
1) Grundlagen – warum „gleiche Masse“ nicht gleich „gleiches Risiko“ ist
- Masse und Trägheit: Je schwerer, desto mehr Energie muss beim Bremsen/Lenken beherrscht werden.
- Schwerpunktlage: Hoher Schwerpunkt = früheres Kippen in Kurven/Schrägfahrt.
- Lastverteilung: Zu wenig Vorderachslast = schlechte Lenkung; zu viel Hinterachslast = Anhänger schiebt.
- Stützlast: Genug Stützlast stabilisiert den Zug; zu wenig → „Schlingern“, zu viel → Vorderachse wird zu leicht.
- Reibwert und Reifen: Reifendruck, Profil und Untergrund bestimmen, wie viel Kraft übertragen werden kann.
- Bremsanlage: Wirkt die Anhängerbremse zu schwach/spät, verlängert sich der Bremsweg und die Kipp-/Knicksgefahr steigt.
2) Typische Ladungen und ihre Fahrauswirkungen
| Ladungstyp | Typische Effekte | Risiken | Fahr- & Sicherungsstrategie |
|---|---|---|---|
| Kompakt-schwer (z. B. Big Bags, Maschinen) | Hohe Gesamtmasse, oft tief liegender Schwerpunkt | Längere Bremswege bei schwacher Anhängerbremse; Vorderachse evtl. zu leicht | Bremsprobe; ALB/Anhängerbremse prüfen; ausreichende Stützlast; form‑ & kraftschlüssig zurren |
| Hoch gestapelt (Ballen, Kisten) | Schwerpunkt wandert nach oben | Kippgefahr in Kurven/Schrägfahrt, Seitenwindempfindlichkeit | Kurventempo stark reduzieren; weiche Lenkung; Niederzurren (Diagonal-/Niederzurren); Stapelhöhen beachten |
| Schüttgut (Getreide, Sand, Silage) | Setzen/Nachrutschen, wandernder Schwerpunkt | Lastwechsel beim Bremsen; Rieselverlust verschmutzt Fahrbahn | Bordwände/Planen schließen; gleichmäßig beladen; §32 beachten (sofort reinigen) |
| Flüssigkeiten (Gülle/Wasser) – Teilfüllung | Schwallbewegung längs/quer | „Nachschieben“ beim Bremsen, Aufschaukeln, Kippneigung | Möglichst „leer oder voll“; Schwallwände nutzen; sehr vorausschauend bremsen und lenken |
| Langgut (Stangen, Stammholz) | Langer Überstand, veränderte Lastverteilung | Ausschwenken beim Abbiegen; Sichtbehinderung | Überstand vorschriftsgemäß kennzeichnen; Zurrpunkte über die Länge verteilt; große Radien fahren |
| Lebende Ladung (Tiere) | Schwerpunkt verlagert sich permanent | Plötzliche Lastwechsel; Stress bei Tieren | Sanfter Fahrstil; weites Abstandhalten; rutschhemmender Boden; Lüftung beachten |
| Front-/Heckanbaugeräte | Achslasten ändern sich stark | Lenkeinfluss, Bremsbalance, Sicht | Passende Ballastierung; Transportstellung sichern; ggf. 4WD zuschalten; Tempo anpassen |
Hinweis: Exakte Stützlast-/Achsgrenzen und Zurrkräfte entnimmst du immer den Typenschildern/Unterlagen von Traktor, Anhänger und Zurrmitteln.
3) Fahrdynamik – was verändert sich konkret?
- Bremsen: Maximale Verzögerung ist durch den Reibwert begrenzt. In der Praxis verlängern schwache/fehlerhafte Anhängerbremsen und Schwallbewegungen den Bremsweg deutlich. Praxis: Immer eine Bremsprobe machen – der Anhänger muss „mitbremsen“, nicht schieben.
- Kurven/Seitenneigung: Hoher Schwerpunkt kippt früher. Je höher die Ladung, desto geringer dein sicheres Kurventempo. Praxis: Vor der Kurve stärker abbremsen, in der Kurve nur leicht lenken/bremsen. Schrägfahrten quer zum Hang vermeiden.
- Traktion/Lenkung: Zu geringe Vorderachslast führt zu Untersteuern und längerem Lenkweg. Schüttgut/Flüssigkeit kann beim Anfahren nach hinten wandern und plötzlich Grip kosten.
4) Schritt-für-Schritt: Einstellungen und Fahrstil anpassen
1) Vor Fahrtbeginn
- Ladung gleichmäßig verteilen, Stützlast passend einstellen; Zurrmittel prüfen (etikettiert, unbeschädigt).
- Reifendruck nach Einsatz (Straße/Feld) und Achslast anpassen.
- Anhängerbremse/ALB-Funktion testen; Beleuchtung/Markierung kontrollieren.
2) Losfahren/Anfahren
- Sanft einkuppeln; bei Zuglast ggf. Allrad kurz zuschalten.
- Mit Flüssigkeit/Schüttgut besonders vorausschauend: keine harten Impulse.
3) Bremsen und Kurven
- Immer vor der Kurve auf Wunschtempo; in der Kurve keine Vollbremsung.
- Mit hoher/instabiler Ladung: Sicherheitszuschlag fürs Tempo – lieber deutlich langsamer als „gewohnt“.
4) Gefälle und Seitenwind
- Gangwahl früh, Motorbremse nutzen.
- Mit hohen Aufbauten windempfindlich → beide Hände ans Lenkrad, Tempo reduzieren.
5) Nach der Fahrt
- Zurrmittel entspannen/prüfen; Schüttgut-/Schlammreste beseitigen (StVO §32).
5) Häufige Fehler – und bessere Lösungen
- „Nur schwer, also stabil“: Irrtum! Hohe Masse plus hoher Schwerpunkt kippt früher. Besser: tief und breit stapeln, Niederzurren.
- Teilgefüllter Gülletank: Starker Schwall → lange Bremswege. Besser: voll/leer fahren, größere Abstände, sehr sanfte Manöver.
- Zu geringe Stützlast: Gespann beginnt zu pendeln. Besser: Stützlast im zulässigen Bereich einstellen (Herstellerwerte beachten).
- Schlamm/Silage auf der Straße: Rutschgefahr für alle. Besser: direkt sichern/reinigen und ggf. warnen/absichern.
Prüfungskern (Merksatz)
„Ladung bestimmt das Fahrverhalten: Schwerpunkt tief, Last gut verteilt, Stützlast passend. Ich fahre vorausschauend – erst Tempo raus, dann lenken. Anhängerbremse muss mitarbeiten, Fahrbahn bleibt sauber.“
Kleine Übungsfragen
- Welche drei Fahrwerksgrößen verändern sich durch hohe, schmale Stapelware?
- Warum verlängert eine Teilfüllung im Tank deinen Bremsweg?
- Wie bemerkst du zu wenig Stützlast – und was stellst du um?
- Nenne zwei Maßnahmen, um Rieselverluste/Verunreinigungen zu verhindern.
- Was prüfst du an der Anhängerbremse vor jeder Fahrt?